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WM 1994 - USA

15. WM in den USA 1994 - Weltmeister: Brasilien

"Effes" Finger und zwei menschliche Tragödien

Ein fatales Eigentor - der Kolumbianer Andres Escobar wurde mit zwolf Schussen ermordet
Eine WM in den USA? Bei der Bekanntgabe dieser Fifa-Entscheidung setzte es harsche Kritik von allen Seiten. Der "Soccer" belegte im öffentlichen Interesse gerade einmal Rang 95.

Die USA schrieb vor Turnierbeginn: "Der Rest der Welt will uns allen Ernstes einreden, dass Fußball das Größte sei. Haben uns die Russen das gleiche nicht immer über den Kommunismus erzählt?" Und der Sportteil der "New York Times" widmete der WM zur Hälfte des Turniers gerade einmal zehn Prozent.

Der "Kaiser" irrt sich
Dennoch war es eine attraktive Endrunde mit vielen Überraschungen. Irland schlug Italien. Saudi Arabien gewann gegen Belgien. Südkorea holte ein Remis gegen Spanien. Und die starken Schweden wurden Dritter. Und Deutschland?

"Im Grunde ist es völlig Wurscht, mit welcher Taktik Berti Vogts spielen lässt. Das deutsche Team ist stark genug", meinte Franz Beckenbauer vor der WM 1994 in den USA. Auch Kaiser können irren.

Effenbergs "Stinkefinger"
Selten erlebte ein deutsches Team eine so turbulente WM abseits vom Spielgeschehen. Effenbergs "Stinkefinger" und der Ärger mit den Spielerfrauen reihten sich nahtlos in die schwachen Vorstellungen der DFB-Elf ein.

Mit viel Mühe zog der Titelverteidiger ins Achtelfinale ein (1:0 gegen Bolivien, 1:1 Spanien, 3:2 Südkorea). Apropos Südkorea. Der von den Fans verhöhnte Stefan Effenberg zeigt den Zuschauern den Mittelfinger. "Ein solcher Mensch hat in einer deutschen Nationalmannschaft nichts zu suchen", meinte Präsident Egidius Braun. "Effe" wurde nach Hause geschickt.

Kolumbianische Tragödie
Eine weitaus größere Tragödie spielte sich in der kolumbischen Stadt Medellin ab. Kolumbien galt nach Auftritten wie beim 5:0 in Argentinien als Geheimfavorit. Doch bereits 1984 hatte der kolumbianische Finanzminister erklärt: "Die Mafia hat unseren Fußball übernommen."

Kolumbien schied unter anderem nach einem 1:2 gegen die USA bereits in der Vorrunde aus. Andrés Escobar unterlief dabei ein Eigentor. Nach der Heimreise wurde Escobar nachts um 3.30 Uhr vor einer Bar mit zwölf Schüssen ermordet. "Danke für das Eigentor", rief einer der Täter. Das Kartell hatte angeblich große Summen auf die Nationalelf gesetzt.

Das Ende fur Deutschland - Letchkov kopft das 2:1 fur Bulgarien, Ha?ler (l.) kommt zu spat
Maradona am Ende

Eine menschliche Tragödie überschattete die Argentinien-Gruppe. Mit 33 hatte sich Diego Armando Maradona wieder an die Weltspitze heran gearbeitet und brillierte in den Partien gegen Nigeria (2:1) und Griechenland (4:0).

Doch dann wurde der "Göttliche" des Dopingmissbrauchs überführt. Er habe nur ein Spray für die Nase benutzt, meinte Maradona im Anschluss. Die Fifa sperrte die Nummer zehn. Argentinien scheiterte im Achtelfinale an Rumänien (2:3) mit dem überragenden Gheorghe Hagi. "Maradonas Sperre hat unsere Moral gebrochen", sagte Trainer Alfio Basile.

Ein Land im Baggio-Fieber
"Baggiomania" herrschte in Italien. Im Achtelfinale führte Nigeria bis zur 88. Minute gegen dezimierte Italiener. Die "Super Eagles" wirkten gegen Ende beinahe arrogant. Und Roberto Baggio bestrafte die Afrikaner mit zwei Treffern (89., 100.).

Auch das Viertelfinale gegen Spanien entschied Baggio mit seinem 2:1 in der 88. Minute. Die Runde der letzten Acht bedeutete für die DFB-Elf Endstation. Lothar Matthäus hatte die Deutschen gegen Bulgarien zwar per Elfmeter in Führung gebracht. Doch Hristo Stoitchkov und Yordan Letchkov mit einem Flugkopfball drehten die Partie in 15 Minuten.

Deutschland scheitert an Bulgarien
Viele Nationalspieler erklärten daraufhin ihren Rücktritt. Überhaupt hatte Deutschland mit einem Schnitt von 28,5 Jahren das älteste Team der WM. Nur Berti Vogts sagte: "Ich mache weiter."

Bebeto und Romario hatten mittlerweile Brasilien ins Halbfinale gebracht. Nicht immer schön, aber erfolgreich. "Magie und Träume gehören im Fußball der Vergangenheit an", stellte Selecao-Trainer Alberto Parreira fest. "Wir müssen Technik und Effizienz kombinieren."

Baggio (l.) verzweifelt - sein verschossener Elfmeter machte Brasilien zum Weltmeister
Baggio - der tragische Held

Das tat Brasilien auch im Halbfinale. Schweden wurde durch ein spätes Romario-Tor 1:0 in die Knie gezwungen. Italien setzte sich 2:1 gegen Bulgarien durch. Natürlich durch zwei Tore von Roberto Baggio.

Der wurde zum tragischen Helden im Finale. Im Rose Bowl zu Pasadena stand es nach 120 Minuten 0:0 zwischen Brasilien und Italien. Zum ersten mal in der WM-Geschichte endete ein Endspiel torlos. Im Elfmeterschießen setzte der angeschlagene Baggio den entscheidenden Strafstoß in den Himmel.

Brasilien war zum vierten Mal Weltmeister.

Was sonst noch passierte:
Die WM in den USA sah viele Neuerungen: Zum ersten Mal gab es drei Punkte in der Vorrunde und bei einem Rückpass durfte der Torwart den Ball nicht mehr aufnehmen.

Der Italiener Mauro Tassotti brach dem Spanier Luis Enrique abseits vom Geschehen im Viertelfinale das Nasenbein. Der Referee hatte das Foul nicht gesehen. Die Fifa sperrte Tassotti im Anschluss für acht Spiele. Die erste Sperre in der WM-Geschichte, die auf einem Fernseh-Beweis basierte.

Oleg Salenko markierte beim 6:1 gegen Kamerun fünf Treffer. Das ist in einem Spiel bis heute unerreicht. Roger Milla machte das Ehrentor für die Afrikaner. Damit ist er der älteste Spieler, der bei einer WM getroffen hat (42 Jahre und 39 Tage).

Claudio Caniggia machte beim 2:1 gegen Nigeria das 1500. WM-Tor.

Gianluca Pagliuca war der erste Torwart der WM-Geschichte, der des Feldes verwiesen wurde (beim 1:0 der Italiener gegen Norwegen).

Beim 4:0 von Bulgarien gegen Griechenland ging eine lange Durststrecke zu Ende. Bis dahin waren die Bulgaren 17 WM-Spiele hintereinander ohne Sieg geblieben.