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WM 1982 - Spanien

12. WM in Spanien 1982 - Weltmeister: Italien

Im "Hexenkessel des Unwillens"

Algerische Fans nach der "geschobenen Partie" zwischen Deutschland und Osterreich
Souverän hatte sich die deutsche Nationalelf für die WM 1982 in Spanien qualifiziert. 16:0 Punkte, 33:3 Tore. Mit dem 2:0 in Hamburg und dem 3:1 in Wien gegen Österreich gelang die Revanche für die Schmach von Cordoba 1978. Bei der Endrunde sollte gegen die Nachbarn jedoch ein weiterer Skandal folgen.

Überraschend schaltete Belgien die Niederlande aus. Die Engländer lösten zum ersten Mal nach zwölf Jahren wieder das WM-Ticket.

Blamage gegen Algerien
Die Deutschen begannen das Turnier mit einem Paukenschlag. Einem negativen. Gegen die drittklassigen Algerier gab es in Gijon eine 1:2-Niederlage. Madjer und Lakhder Belloumi schockten die Elf von Jupp Derwall.

Dem 4:1 gegen Chile folgte eine der schwärzesten Stunden des deutschen Fußballs. Die Fifa hatte von der WM 1978 nicht gelernt und setzte die letzten Gruppenspiele nicht zeitgleich an. Deutschland und Österreich wussten am 25. Juni in Gijon nach dem 3:2 der Algerier über Chile genau, mit welchem Resultat sich beide Teams für die nächste Runde qualifizieren konnten.

"Ein Stück schmutziger Fußball-Porno"
Horst Hrubesch markierte nach elf Minuten das 1:0. Und das reichte. Danach gab es 80 Minuten lang ein moralisches Debakel. 40-Meter-Rückpässe und Ballgeschiebe. "Was hier geboten wird, ist schändlich. Nicht alle Mittel heiligen den Zweck", kommentierte Eberhard Stanjek. Und Armin Hauffe meinte im Radio: "Der DFB ist allen eine Erklärung schuldig. Der Schaden, der hier im Hexenkessel des Unwillens dem Ruf des Fußballs zugefügt wird, ist beträchtlich."

In Zeitungen stand von einem "schmutzigen Stück Fußball-Porno" oder einer "unerträglichen, skandalösen Farce" zu lesen. Die spanische Gazette "El Comercio" befasste sich mit dem Spiel im Polizeibericht.

Rosen zur Versöhnung
Italien mogelte sich mit drei Remis in die zweite Finalrunde, die aus vier Gruppen bestand. Die DFB-Elf musste gegen England und Spanien antreten. Vor dem 0:0 gegen die Briten warfen die deutschen Spieler zur Versöhnung Rosen ins Publikum. Und das 2:1 über Spanien reichte Deutschland zum Halbfinale.

Klaus Fischer markiert das unglaubliche 3:3 in der Verlangerung gegen Frankreich
Überhaupt Spanien. Die Gastgeber holten nur ein Sieg aus fünf Spielen und schieden ohne Glanz aus. "El gran fracaso" (das große Versagen). Die stärkste Gruppe bestand ohne Zweifel aus Italien, Argentinien und Brasilien.

"Italiener sind eine Schande"
Die Selecao hatte bis dahin den besten Fußball geboten, Argentinien um Superstar Maradona nur teilweise überzeugt. Die Italiener, besonders Claudio Gentile, verübten eine regelrechte Hetzjagd auf Maradona. Und der Titelverteidiger verlor 1:2 gegen die Azzurri. "Es ist eine Schande, was die Italiener unter Fußball verstehen", wetterte der Argentinier Osvaldo Ardiles hinterher.

Im Spiel Italien gegen Brasilien ging es um den Finaleinzug. Paolo Rossi markierte drei Treffer gegen die Selecao, die nach dem 2:3 ausschied. Mit Zico, Sokrates, Eder und Falcao spielte Brasilien jedoch den besten Fußball des Turniers. "Es war eine der besten Mannschaften, die Brasilien je hervorgebracht hat", meinte Zico Jahre später.

Drama in Sevilla
Am 8. Juli, Sevilla. Halbfinale. Deutschland Frankreich. Eine Partie, die an das Spiel Deutschland gegen Italien 1970 heranreichte. 1:1 stand es nach 90 Minuten (Pierre Littbarski und Michele Platini). Verlängerung.

Marius Tresor und Alain Giresse trafen schnell zum 3:1 für die Franzosen. "Sie spielen einen exzellenten Fußball, das muss man einfach anerkennen", meinte TV-Reporter Rolf Kramer. Dann kam der angeschlagene Karl-Heinz Rummenigge.

"Normalerweise ist nichts mehr drin. Aber wir sollten die Daumen drücken. Rummenigge... Und da ist es. Das 2:3!" Dann die 108. Minute. "Littbarski. Gute Flanke. Fischer. Fallrückzieher. Und das Tooooor! Das vielleicht schönste der WM. Dabei schien alles verloren."

Stielikes Tragödie
Es kam zum Elfmeterschießen. Bis auf Uli Stielike hatten alle getroffen. "Es wäre eine Tragödie, wenn der beste Deutsche, Stielike, nicht trifft", meinte Jochen Sprentzel im Radio. "Uli behalt die Nerven! Abgewehrt. Es ist nicht zu fassen!" Littbarski tröstete den zusammen gekauerten Stielike.

Und sofort darauf parierte Toni Schumacher den Schuss von Didier Six. Auch Bossis verschoss. Horst Hrubesch konnte alles entscheiden. Joachim Böttcher im Radio: "Hrubesch schießt. Und Toooooooor! Da liegen sie übereinander. Jetzt sind sie im Finale. Das ist ja einfach nicht zu begreifen!"

Wieder einmal hatte Deutschland den Ruf der Turniermannschaft bewiesen. Im zweiten Halbfinale sahen nur 50.000 Zuschauer im halbgefüllten Camp Nou ein 2:0 der Italiener (zwei Mal Rossi) gegen Polen.

Paolo Rossi (am Boden) macht das 1:0 im Finale - Italien wird Weltmeister
Italien zum dritten Mal Weltmeister

Am 11. Juli trafen sich Deutschland und Italien im Santiago Bernabéu zu Madrid im Finale. Eine einseitige Angelegenheit. Zwar verschoss Cabrini nach 25 Minuten einen Elfmeter. Doch Rossi (57.), Tardelli (69.) und Altobelli (81.) entschieden das Finale, ehe Paul Breitner der Ehrentreffer gelang (83.). Italien war zum dritten Mal Weltmeister!

"Wir haben die Deutschen gestellt, überwältigt und übermannt", schrieb der "Corriere della Sera". Und Uli Hoeneß diagnostizierte den schlechten Ruf des deutschen Fußballs: "Unser Ansehen war schlecht seit der WM 1982 in Spanien. Da hat die Mannschaft gezeigt: Man kann saufen, rauchen und trotzdem viel Geld verdienen." Und ins Finale einer WM kommen.

Was sonst noch passierte:
Zum ersten mal nahmen an einer WM-Endrunde 24 Mannschaften teil.

Das Turnier in Spanien war schlecht besucht. Der Zuschauerschnitt war der schlechteste seit 1962. Nur 600.000 Zuschauer wollten die Kompaktangebote abnehmen. Gegen Ende verschenkte der Veranstalter Tickets.

Brisant gestaltete sich die Partie Polen gegen die UdSSR. Vor dem Spiel wurden Plakate polnischer Fans verteilt: "Unsere Mannschaft muss einen Kampf führen, wie wir ihn bald selbst führen müssen." Während der 90 Minuten forderten Transparente die Freilassung des "Solidarnosc"-Führers Lech Walesa. Nach dem 0:0 marschierten beide Teams grußlos in die Kabine. Polen war weiter und Keeper Mlynarczyk sagte: "Das ist nicht nur ein Erfolg für unsere Mannschaft, sondern ein Sieg für unser ganzes polnisches Volk."

Überschattet wurde das Spiel Deutschland - Frankreich durch die rüde Attacke von Toni Schumacher gegen den Franzosen Battiston, der sich dabei eine Gehirnerschütterung, einen Wirbelbruch zuzog und einige Zähne verlor. Der Kölner Keeper goss am Ende noch Öl ins Feuer. "Wer austeilt, muss auch einstecken können. Ich habe den einen Franzosen da mit dem Hintern berührt. Unter Profis gibt es kein Mitgefühl. Sage ihm, ich bezahle ihm die Jacketkronen."

Paul Breitner war nach seinem Tor im Finale neben Vava und Pelé der einzige Spieler, der in zwei WM-Endspielen traf.

Der italienische Keeper Dino Zoff wurde mit seinen 40 Jahren zum ältesten WM-Sieger aller Zeiten.

Der Ungar Laszlo Kiss erzielte beim 10:1 gegen El Salvador den schnellsten Hattrick der WM-Geschichte (70., 74., 77.).

Norman Whiteside aus Nordirland ist der jüngste Spieler der WM-Geschichte. Bei seinem Einsatz gegen Jugoslawien war er 17 Jahre und 41 Tage alt.