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WM 1962 - Chile

7. WM in Chile 1962 - Weltmeister: Brasilien

Revanche der Jugoslawen - Tumulte bei Chile gegen Italien

Uwe Seeler trifft artistisch gegen Chile - Deutschland gewinnt 2:0
Nach zwei Endrunden in Europa bekam überraschenderweise Chile den Zuschlag für die WM 1962, denn auch Argentinien hatte sich beworben. Dann der Schock am 21. Mai 1960. Das bisher schwerste Erdbeben des Landes machte große Teile Chiles dem Erdboden gleich.

Die Stimmen mehrten sich, die Endrunde zu verlegen. Doch Verbands-Präsident Carlos Dittburn meinte: "Wir müssen die WM haben, weil wir nichts haben." Staatspräsident Dr. Alessandri erklärte die Ausrichtung zur nationalen Angelegenheit.

Keine WM für Ästheten
Und tatsächlich wurde das Turnier am 30. Mai 1962 im Estadio Nacional zu Santiago eröffnet. Doch die Endrunde sollte von Defensive und Brutalität geprägt werden. Deutschland wurde mit Italien, der Schweiz und Chile in die Gruppe 2 gelost. Die Partie gegen die Azzurri war an Langeweile kaum zu überbieten und endete 0:0.

Da ging es bei der UdSSR gegen Jugoslawien schon turbulenter zu. Unter dem deutschen Referee Dusch entgleiste die Partie. 2:0, ein Beinbruch, eine offene Kopfwunde und ein Fausthieb waren das Ergebnis. Charakteristisch für diese WM, die nichts für Ästheten zu bieten hatte.

Kriegsschauplatz bei Chile - Italien
Übertroffen wurde diese Partie vom "Gemetzel" zwischen Chile und Italien. Die Stimmung war von bösen italienischen Korrespondenten-Berichten über die Zustände in Chile aufgeheizt. Zunächst gingen die Italiener in die Offensive und der englische Schiedsrichter Ken Aston stellte Ferrini schon nach acht Minuten vom Feld.

Der Italiener Ferrini wird beim Skandalspiel gegen Chile abgefuhrt
Die Chilenen schlugen zurück. Hiebe ins Gesicht, Tritte gegen die Beine. Dann schlug kurz vor der Pause Leonel Sanchez den Italiener David zusammen. "Wenn Aston es nicht gesehen hat, so hätte er zumindest hören müssen, wie mir das Nasenbein abgeschlagen wurde", erinnerte sich David später. Doch der unschuldige David wurde zum Duschen geschickt und neun Italiener verloren 0:2.

Scharfe Kritik an Sepp Herberger
Deutschland schlug die Gastgeber 2:0 und zog ins Viertelfinale ein. Dort wartete wieder einmal Jugoslawien. Zum dritten Mal hintereinander bei einer Endrunde. Zwei Mal hatte die DFB-Elf gewonnen. Doch in Chile setzte Trainer Sepp Herberger auf eine bedingungslose Defensive. Fünf Minuten vor Schluss erziele Radakovic das einzige Tor.

"Herberger hat uns eingemauert!" So empfingen die deutschen Zeitungen die ausgeschiedene Elf. Titelverteidiger Brasilien war mit etwas Mühe ins Viertelfinale eingezogen. Pelé verletzte sich schon im zweiten Spiel und meinte zu seinem Ersatzmann Amarildo: "Gott hat gewollt, dass ich nicht spiele. Es ist deine Stunde. Nutze sie." Amarildo schoss die Selecao mit zwei Treffern gegen Spanien unter die letzten Acht.

Chile wird sensationeller Dritter
Dort besiegte Brasilien die Engländer 3:1 und war auch beim 4:2 über Chile im Semifinale nicht aufzuhalten. Allerdings fehlte Pelé immer noch. Der Zwerg aus Chile wurde mit einem Treffer in der 90. Minute gegen Jugoslawien immerhin Dritter.

Vava macht das 3:1 gegen die Tschechen - Brasilien ist Weltmeister
Ganz heimlich und gut organisiert war die Tschechoslowakei mit Siegen gegen Ungarn und Jugoslawien ins Finale eingezogen. Beim Gegner musste sich der verletzte Pelé das Finale vom Spielfeldrand aus anschauen.

Sein Ersatzmann Amarildo glich die sensationelle Führung der Tschechoslowakei aus. Zito und Vava sorgten für den 3:1-Endstand in einem nicht gerade spektakulären Finale. Brasiien hatte den Titel verteidigt.

Was sonst noch passierte:
Vaclav Masek (Tschechoslowakei) markierte im Spiel gegen Mexiko nach nur 16 Sekunden das schnellste Tor der WM-Geschichte.

Der große Alfredo di Stefano (eigentlich Argentinier) nahm die spanische Staatsbürgerschaft an und spielte 1962 für Spanien. Aufgrund einer Verletzung kam er nicht zum Einsatz. So bestritt einer der genialsten Fußballer der Geschichte nie ein WM-Endrundenspiel.

Einziger Höhepunkt beim 0:0 der Engländer gegen Bulgarien war ein streunender Hund, der aufs Feld lief und minutenlang Bobby Charlton anbellte.

Nach dem Ausscheiden der Deutschen im Viertelfinale legte Sepp Herberger sein Amt nieder und Helmut Schön, der "Mann mit der Mütze", übernahm das Kommando.

Der dritte Platz ist bis heute der größte Erfolg einer chilenischen Nationalmannschaft. Immer noch wird das Team von 1962 als beste aller Zeiten gefeiert.

Die WM 1962 sah zum ersten Mal die Taktik des Catenaccio in seiner Vollendung. Perfektioniert vom argentinischen Trainer Helenio Herrera, der damit später bei Inter Mailand Erfolg haben sollte. "Alles Gerede von Schönspielerei ist Geschwätz. Die Welt schätzt nur Sieger", so Herrera, der in Chile Spanien trainierte. Italiens Vittorio Pozzo konterte: "Der Catenaccio wird dem Fußball den Tod bereiten." Herrera bekam den Spitznamen "Diktator" und "Sklaventreiber".

Brasilien bereitete sich professionell in einem Höhentrainingslager vor. Auch an das Wohl der Spieler wurde gedacht. Der Mannschaftsarzt ließ sich im Spielrundenort Vina del Mar in einem Bordell den Gesundheit der 24 Prostituierten bescheinigen.

Fifa-Präsident Rous dachte nach der vielen Brutalität daran, die WM ganz abzuschaffen. "Europäer und Südamerikaner kommen nicht mehr zueinander. Es hat keinen Sinn mehr. Es sei das Beste, wenn in Zukunft die Südamerikaner ihre Meisterschaft ausmachen und wir Europäer unsere (...) Wir vermeiden das Risiko, dass der Fußball stirbt."