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WM 1998 - FRANKREICH
 

16.WM in Frankreich 1998 - Weltmeister: Frankreich

Zidane vereint "Frankreichs verlorene Seele"

Nochmal davongekommen - Oliver Bierhoff erzielt den 2:2-Ausgleich gegen Jugoslawien
643 Qualifikationsspiele (1938 waren es ganze 21). Zum ersten Mal 32 Endrundenteilnehmer. Die WM 1998 in Frankreich stellte in vieler Hinsicht Rekorde auf.

Schon das Eröffnungsspiel ließ auf ein ansprechendes Turnier hoffen. Brasilien schlug vom Pech verfolgte Schotten 2:1. In den acht Endrunden zuvor hatte es bei den Eröffnungsspielen insgesamt gerade einmal fünf Treffer und vier torlose Remis gegeben.

Tränen in Marokko
Schottland musste schon nach der Vorrunde die Heimreise antreten, wobei sich erneut bestätigte: "Die Schotten sind früher wieder daheim als ihre Postkarten." Brasilien verlor das letzte Gruppenmatch in der Schlussphase überraschend 1:2 gegen Norwegen. Tränen in Marokko.

Die starken Afrikaner mit ihrem Star Hadji wähnten sich schon im Achtelfinale, wurden aber in letzter Sekunde noch von den Norwegern überflügelt. Überraschend schied Spanien hinter Nigeria und Paraguay aus.

"Der Unterschied zwischen Asien und Europa"
Christian Vieri schoss die Italiener mühelos in die nächste Runde. Dennoch gab es bei den Azzurri Probleme. "Dualismo" titelte die Presse. Sollte Alessandro Del Piero oder Roberto Baggio spielen? Oder gar beide zusammen? Selbst das italienische Parlament mischte sich in die Diskussion mit ein. Kein einziges Mal spielten beide gemeinsam.

Frankreich setzte sich souverän durch. Gegen Saudi Arabien feierte der Gastgeber in Unterzahl (Rot für Zinedine Zidane) ein 4:0. Saudi-Trainer Alberto Parreira meinte später: "Heute ist der Unterschied zwischen Europa und Asien aufgezeigt worden. Wer den geleugnet hat, ist weltfremd."

Tragödie um Daniel Nivel
Deutschland mühte sich zum Gruppensieg. Nach dem glanzlosen 2:0 gegen die USA lag die DFB-Auswahl in der 54. Minute 0:2 gegen Jugoslawien hinten. Doch durch Michael Tarnat und Oliver Bierhoff gelang noch der Ausgleich. Die Partie hatte einen tragischen Nebenschauplatz. Deutsche Hooligans prügelten den französischen Polizisten Daniel Nivel ins Koma. Der DFB erwog gar einen Rückzug, doch Berti Vogts wehrte sich vehement dagegen.

Besser wurde auch der Auftritt im Achtelfinale nicht. Hernandez hatte Gegner Mexiko in der 47. Minute in Führung gebracht. Ein erneuter Kraftakt bescherte zwei Treffer durch Jürgen Klinsmann und Bierhoff und das Viertelfinale. "Über den Kampf haben wir es wieder geschafft", meinte Bundestrainer Vogts.

England und Argentinien bewiesen, wie es auch spielerisch möglich sein kann. Im besten Spiel des Turniers stand es schnell 1:1. Da schnappte sich der 18-Jährige Michael Owen den Ball an der Mittellinie, umkurvte mehrere Verteidiger und setzte den Ball in den linken Winkel.

Jorge Valdano, argentinischer Weltmeister 1978, schrieb über Owens Treffer: "Die Sicherheit eines Chirurgen in jeder Bewegung. Die Hochgeschwindigkeitspräzision bei jeder Ballberührung und die Entschlossenheit eines Diebes beim Abschluss."

Sündenbock Beckham
England scheiterte im Elfmeterschießen. Nicht zuletzt, weil David Beckham nach einem tritt gegen Diego Simeone die Rote Karte gesehen hatte (47.). "Zehn Helden und ein Idiot" titelte die englische Boulevard-Presse. Auf einer "Tabloid-Titelseite" hing Beckham gar am Galgen. Monatelang danach war es für "Becks" ein Spießrutenlauf durch Englands-Stadien, wo ihn Pfiffe oder Transparente wie "Beckscum" (scum=Abschaum) erwarteten.

Wie schon 1994 stellten die Deutschen das älteste Team der Endrunde, was von der französischen Presse höhnisch mit "Jurassic Park" kommentiert wurde. Beim Viertelfinale gegen Kroatien ahnte Radio-Kommentator Jochen Sprentzel Böses: "Boban und Suker, das können zwei Leute wie Stoitchkov und Letchkov sein." Die hatten Deutschland 1994 aus dem Turnier geschossen.

Ende fur Worns (r.), Aus fur Deutschland - die DFB-Elf verliert im Viertelfinale 0:3 gegen Kroatien Berti Vogts ohne Stil
Nach starken 40 deutschen Minuten sah Sprentzel dies: "Suker wird von Wörns böse von den Beinen geholt. Oh, oh. Was gibt es jetzt?" Es gab einen Platzverweis und die Vogts-Elf verabschiedete sich mit einem 0:3. "Bitter Berti. Alles riskiert und alles verloren!" titelte die "Bild" recht schmeichelhaft.

Die Kritik an Vogts wurde nach einer konzeptlosen WM lauter. Und der Stil des Bundestrainers trug nicht gerade zu einem Imagegewinn bei. Ohne Gratulation verschwand er in der Kabine und schmiedete Verschwörungstheorien. "Wir müssen nach Hause. Warum auch immer. Das haben andere Leute zu verantworten. Vielleicht ist der deutsche Fußball zu erfolgreich. Die anderen können kratzen, beißen spucken gegen uns werden die Karten gezogen. Ich weiß nicht, ob es eine Anordnung gibt."

Doch auch sein kroatischer Kollege Miroslav Blazevic sparte nicht mit Peinlichkeiten. "Die Fußballer sollen das wiederholen, was die Soldaten auf dem Feld erreicht haben."

Das Traumfinale
Gegner von Kroatien im Halbfinale war Frankreich. Die "Equipe tricolore" hatte Italien im Elfmeterschießen geschlagen. Die Azzurri waren somit zum dritten Mal hintereinander bei einer WM an der grausamsten aller Entscheidungen gescheitert.

Zwei Tore von Lilian Thuram brachten den Gastgeber knapp ins Finale gegen Brasilien, das vom Elfmeter-Punkt aus die Niederlande ins kleine Finale geschickt hatte.

"Frankreich hat seine Seele wiedergefunden"
Der große Star der Franzosen, Zinedine Zidane, wurde zum Helden. Mit seinen beiden ersten Turniertoren köpfte "Zizou" sein Team in Führung. Emmanuel Petit schloss einen Konter zum 3:0-Finalsieg ab.

Der Beginn von Frankreichs Finaltriumph - Zidane kopft das 1:0 gegen Titelverteidiger Brasilien
1,7 Millionen Menschen feierten auf Frankreichs Straßen. Das "Team der Rassenvielfalt" entlockte Staatspräsident Chirac den Satz: "Frankreich hat seine Seele wiedergefunden." Die Spieler aus den ehemaligen Kolonien der Franzosen machten aus den Nationalfarben "bleu-blanc-rouge" (blau-weiß-rot) "black-blanc-beur" (beur=dunkle Tönung der maghrebinischen Einwanderer).

Noch mit 14 Jahren war Zidane an einem Sichtungslehrgang abgewiesen worden, da er "nicht aussieht wie ein Franzose". 1998 köpfte er die Franzosen in den Fußball-Olymp.

Was sonst noch passierte:
Lothar Matthäus spielte gegen Kroatien sein 25. WM-Spiel und ist damit alleiniger Rekordhalter.

Österreich erzielte alle seine drei Tore in der Nachspielzeit.

Gabriel Batistuta markierte gegen Jamaika einen Hattrick. Auf den Tag genau vier Jahre zuvor hatte Batigol in den USA ebenfalls einen Hattrick gegen Griechenland erzielt.

Laurent Blanc machte beim 1:0 der Franzosen gegen Paraguay im Achtelfinale das erste Golden Goal der WM-Geschichte.

Das 0:3 der Deutschen gegen Kroatien war die höchste WM-Niederlage eines DFB-Teams nach dem 3:6 gegen Frankreich 1958.

Überraschend stand Ronaldo nicht in Brasiliens Aufstellung beim Finale, spielte letztlich aber doch. Gerüchte besagen, dass das "Phänomen" am Abend vor dem Endspiel einen Anfall hatte, und von Roberto Carlos gerettet wurde. Angeblich sollen Sponsoren auf den Finaleinsatz gedrängt haben.

Kameruns Rigobert Song ist der einzige Spieler, der bei zwei Endrunden die Rote Karte sah (1994 gegen Brasilien, 1998 gegen Chile).

Kritik gab es an Argentiniens Coach Daniel Passarella, der vor der WM Spieler wie Caniggia oder Redondo wegen langer Haare und Ohrringen aus dem Kader verbannt hatte.

Die Politiker und Medien hatten vor der Partie USA - Iran reichlich Zündstoff verbreitet. Doch die Spieler Irans schenkten den US-Boys weiße Rosen "zum Zeichen des Friedens". Im iranischen TV liefen alle Partien um zehn Sekunden zeitversetzt, um anstößige Szenen, wie leichtbekleidete Frauen, auszusortieren.

Der "normale Fan" hatte enorme Probleme, an Karten zu kommen, da viele Tickets an Sponsoren flossen. Kritik gab es deshalb von Spielern: "Ich sehe auf der Tribüne nur Typen in schwarzen Anzügen, als ob sie zur Beerdigung kommen", meinte Didier Deschamps. Und Jürgen Klinsmann ergänzte: "Fußball entwickelt sich zu dem, was Tennis früher war. Ein Snob-Sport (...) Nicht mehr das Spiel steht im Vordergrund, sondern die Business-Maschinerie."