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WM 1990 - ITALIEN
 

14.WM in Italien 1990 - Weltmeister: Deutschland

Das "Lama" und der "einsame Kaiser"

Andreas Brehme verwandelt den Elfmeter im Finale gegen Argentinien
Das Finale von "Italia 90" war vorüber, Deutschland zum dritten Mal Weltmeister. Das beeindruckendste Bild war nicht die jubelnde Spielertraube. Urplötzlich schwenkte die Kamera zum Mittelkreis. Abseits von feiernden Menschen, im Halbdunkeln, schlich Teamchef Beckenbauer in sich gekehrt über den Rasen des römischen Olympiastadions. Ein Bild der Größe, ein Moment, der den "Kaiser" endgültig in den Fußball-Olymp erhob.

Aller Anfang ist schwer
Dabei hätte sich das deutsche Team die WM beinahe nur im Fernsehen ansehen können. Im letzten Qualifikationsspiel gegen Wales musste ein Sieg her, um das Ticket für Italien zu lösen. Wales ging in Führung, Völler glich aus, und Häßler bescherte in einer Zitterpartie den Siegtreffer. "Mit Mühe und Not über den Brenner gekrochen", hieß es in der "Süddeutschen Zeitung".

Legionäre fühlten sich in Mailand zu Hause
Die WM begann mit einem Paukenschlag. Kamerun besiegte im Eröffnungsspiel den amtierenden Weltmeister Argentinien durch ein Tor von Omam Biyik 1:0. Am 10. Juni war Deutschland an der Reihe und spielte zum Auftakt in Mailand gegen Jugoslawien. Die für Inter tätigen Andreas Brehme, Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann fühlten sich pudelwohl. In glänzender Manier gewann die Beckenbauer-Elf 4:1.

Besonders Kapitän Matthäus begeisterte mit zwei grandiosen Treffern. Die Vereinigten Arabischen Emirate wurden mit 5:1 weggefegt, das 1:1 gegen Kolumbien reichte zum Gruppensieg. In Erinnerung bleibt Valderrama, der minutenlang eine Verletzung vortäuschte und kerngesund in der 93. Minute den Pass zum Ausgleich spielte.

Der Held aus Sizilien
Auch Gastgeber Italien qualifizierte sich mühelos. Und ein Szilianer spielte sich in den Vordergrund: Salvatore Schillaci, genannt Totò. Der Stürmer rückte nur durch die Verletzung von Gianluca Vialli ins Team und schoss die Azzurri quasi im Alleingang ins Halbfinale. Auch Roberto Baggio begann die Massen zu verzücken. Nach dem 2:0 über die Tschechen titelte die "Gazzetta dello Sport": "Italien mit Baggio und Schillaci im Delirium!"

Besondere Angst bereitete den Veranstaltern die Gruppe mit England, Holland und Irland. Vollkommen isoliert wurden alle Partien auf Sardinien ausgetragen. Kein Alkohol durfte ausgeschenkt werden. Die Partien bewegten sich auf unterstem Niveau. Nach dem 1:1 der Iren gegen England titelte eine italienische Zeitung: "Kein Fußball, bitte! Wir sind britisch!" Doch alle drei Nationen ließen Ägypten hinter sich und kamen eine Runde weiter.



Es folgten Platzverweise gegen Voller (r.) und "Lama" Rijkaard (l.)
Von Lamas und Helden: Deutschland gegen Holland

Ein ganz harter Brocken wartete auf die DFB-Elf im Achtelfinale: Das enttäuschende Holland kam als einer der vier besten Gruppendritten weiter und spielte in San Siro gegen Deutschland. Die Erzrivalen lieferten sich ein packendes Duell. In Hälfte eins bespuckte Frank Rijkaard Rudi Völler zwei Mal, und der völlig überforderte argentinische Schiedsrichter Loustau stellte beide vom Platz.

"Nein, das kann nicht sein, was der Schiedsrichter da macht", wetterte Karl-Heinz Rummenigge im Fernsehen. "Das ist ein Skandal!" Auch sein Reporterpartner Heribert Faßbender war außer sich: "Schickt den Mann ganz schnell zurück in die Pampas. Den wollen wir bei einer WM höchstens noch als Kartenabreißer sehen!"

Hektik pur. Jürgen Klinsmann machte sein bestes Spiel für die Nationalelf. Er rannte, ackerte, schoss das 1:0 (51.), traf den Pfosten. Nach 79 Minuten wurde er völlig entkräftet ausgetauscht. Das Tor widmete er später Völler. Brehme sorgte mit einem Kunstschuss für die Entscheidung (86.). Deutschland gewann 2:1.

Ein Fußball-Opa begeistert die Welt
Nach dem glanzlosen 1:0-Erfolg über die CSFR stand die Beckenbauer-Elf im Halbfinale. Wie auch England. Doch die Briten mussten gegen Kamerun lange zittern. Wieder war es Roger Milla (38), der Fußball-Opa, der die vermeintliche Wende für die "unbezähmbaren Löwen" einleitete. Milla hatte Kamerun schon gegen Rumänien und Kolumbien mit jeweils zwei Toren zum Sieg geschossen.

Ein Foul an ihm führte zum Elfmeter und 1:1-Ausgleich. Ekeke erhöhte gar auf 2:1. Nur zwei Elfmeter von Gary Lineker (82., 104.) bewahrten England vor einem Desaster.

Roger Milla (r.) stiehlt Kolumbiens Keeper Higuita den Ball - 2:0 fur Kamerun
Immer wieder England

Im Semifinale dann der ewige Klassiker Deutschland gegen England. Werbung für den Fußball, denn beide Teams schenkten sich nichts. Brehme traf mit einem kuriosen Freistoß zum 1:0 (59.), Lineker glich zehn Minuten vor Schluss aus.

Es folgte eine dramatische Verlängerung mit zwei Pfostenschüssen (Waddle, Buchwald), dann das Elfmeter-Schießen. Beckenbauer bemerkte vor dem Spiel: "Der Illgner muss schon angeschossen werden, damit er einen Elfer hält." Pearce tat ihm den Gefallen. Waddle verschoss auch, Paul Gascoigne brach in Tränen aus, Deutschland war im Finale.

Maradona im Herzen, Italien in den Liedern
Irgendwie hatte sich Argentinien ins Halbfinale gemogelt. Keine überzeugenden Leistungen, Maradona ein Schatten seiner selbst. Lediglich seine Vorbereitung zum 1:0-Sieg gegen Brasilien hatte Diegos Klasse erkennen lassen. In Neapel wartete der Gastgeber, der bis dahin noch keinen Gegentreffer kassiert hatte. Ausgerechnet Neapel. Maradonas Königreich (er führte den SSC Neapel zwei Mal zum Titel). Der Regent bat die Neapolitaner vor der Partie, Argentinien zu unterstützen. Auf den Rängen hingen Transparente: "Maradona in unserem Herzen, Italien in unseren Liedern!"

Die Führung von Schillaci glich Claudio Caniggia kurz vor Schluss aus. Im Elfmeterschießen setzten sich die Argentinier durch. Azzurri-Trainer Azeglio Vicini beschwerte sich anschließend über mangelnde Unterstützung. Maradona stand wieder im Finale. Dem Favoriten Italien blieb durch ein 2:1 über England nur der dritte Platz.

Lothars neuer Schuh und Brehmes Perfektion
Deutschland war im Finale haushoher Favorit. Bis zum Endspiel lag der Torquotient bei 2,21 der niedrigste der WM-Geschichte. Auch die letzte Partie hatte eine magere Ausbeute. Durch die Maradona-Affäre unterstützten die Zuschauer in Rom die DFB-Elf. Bei der argentinischen Hymne wurde gnadenlos gepfiffen. Argentinien mauerte. Deutschland erkämpfte sich 23:1-Torschüsse. Fünf Minuten vor Schluss gab es einen dubiosen Elfmeter für Deutschland. "Da hat der Rudi wohl etwas mitgeholfen", meinte Beckenbauer anschließend.

Der etatmäßige Schütze Matthäus trat nicht an, da er "in der Halbzeit einen Schuh gewechselt" hatte. Brehme verwandelte sicher. Deutschland war Weltmeister. "Es gab eine Verschwörung gegen uns", meinte ein weinender Maradona. Eine schwarze Hand hat unsere Niederlage gewollt. Die Mächte sind stärker als Maradona. Der Elfmeter war nicht gegen Argentinien, er war gegen Maradona."

Beckenbauer, der noch während des Turniers gesagt hatte "Mir bedeutet der Titel nichts. Ich war schon einmal Weltmeister. Die Spieler müssen dafür laufen" tat Deutschland nach dem WM-Gewinn keinen Gefallen. "Es tut mir Leid für den Rest der Welt. Doch wir werden, wenn jetzt auch noch die ostdeutschen Spieler dazu kommen, in den nächsten Jahren nicht mehr zu besiegen sein." Das hat die Geschichte bereits widerlegt.

Was sonst noch passierte:
Kameruns Staatspräsident Paul Biya hatte das letzte Wort bei der Nominierung des Kaders. Er warf Keeper Joseph Antoine Bell aus der Elf und befahl die Nominierung des 38-jährigen Roger Milla, der auch prompt zum damals ältesten WM-Torschützen der WM-Geschichte wurde.

Die Republik Irland nahm zum ersten Mal an einer WM teil.

Die DDR spielte die letzte Qualifikation nach dem Mauerfall.

Zum ersten Mal zückte der Referee in einem Finale die Rote Karte. Und das gleich zwei Mal gegen Argentinien.

Von den 14 Partien der K.o-Runde mussten vier Partien durch Elfmeterschießen entschieden werden, acht gingen in die Verlängerung.

Das 1:0 von David Platt für England gegen Belgien im Achtelfinale (120.) war das späteste Tor der WM-Geschichte.

Der am längsten ungeschlagene Torwart der WM-Geschichte ist Walter Zenga. 1990 kassierte er 517 Minuten lang keinen Gegentreffer.