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WM 1978 - ARGENTINIEN
 

11.WM in Argentinien 1978 - Weltmeister: Argentinien

Die Schmach von Cordoba

Der Anfang der Schmach von Cordoba - Berti Vogts trifft gegen Osterreich ins eigene Netz

1978, und endlich war Argentinien als Ausrichter auserkoren. Auch der Militärputsch 1976 machte dem keinen Strich durch die Rechnung. Amnesty International berichtete über Folter unter dem Regime von General-Leutnant Jorge Rafael Videla. Die Guerillas (Monteneros) kämpften verbissen gegen die Militärdiktatur. Und OK-Chef Omar Carlos Actis wurde 1976 ermordet.

Doch nach der Südamerikareise der deutschen Elf 1977 stellte der deutsche Vizepräsident der Fifa und des WM-Organisationsausschusses, Hermann Neuberger, fest: "Es gibt nichts zu befürchten." Eine äußerst umstrittene Aussage. Die WM wurde nicht zuletzt wegen der Funktionäre zu einem politischen Spielball.

Erboste Franzosen
Auch bei der Auslosung ging es wohl nicht mit rechten Dingen zu. Der italienische Uefa-Präsident Artemio Franchi erreichte, dass Italien gesetzt wurde, obwohl die Azzurri 1974 nur Achter geworden waren. Zum Nachteil des WM-Dritten Polen.

Insbesondere die Franzosen echauffierten sich. Sie kamen in eine Gruppe mit Argentinien, Italien und Ungarn. "Neuberger hat die Gruppeneinteilung beeinflusst", wetterte Trainer Michel Hidalgo. "Er hat alles zum Wohle des Weltmeisters getan." Beschweren durfte sich Helmut Schön wirklich nicht. Polen, Mexiko und Tunesien hießen die Gegner. Aber...

Ohne Beckenbauer und Stielike
Der DFB beherzigte immer noch die Philosophie, deutsche Fußballer im Ausland nicht in die Nationalelf zu berufen. So wurde auf einen Franz Beckenbauer (Cosmos New York) oder einen Uli Stielike (Real Madrid) verzichtet.

Dennoch herrschte Enthusiasmus in der Heimat. Aber das 0:0 gegen Polen im Eröffnungsspiel dämpfte viele Hoffnungen. Die Deutschen hatten ihr eigenes Fleisch, Brot, ihren eigenen Koch, Musikanten und GSG-9-Beamte nach Argentinien gebracht. Viel sollte es nicht helfen.

Zwar gab es ein 6:0 über Mexiko, doch das 0:0 gegen Tunesien gestaltete sich eher glücklich. Immerhin war die Schön-Elf in der Zwischenrunde.

Starke Österreicher
Besser machten es die Österreicher, die nach Siegen über Schweden und Spanien überraschend eine Runde weiter waren. Sportdirektor Max Merkel war mit Trainer Helmut Senekowitsch verfeindet und vor dem Beginn des Turniers mit den Worten "Ich war bei der Hochzeit nicht dabei und will auch bei der Beerdigung nicht dabei sein" abgereist. So schweißte er das Team zusammen, das sich mit dem Coach prächtig verstand.

Einen Schwur brauchte der Gastgeber nicht. "Wir kämpfen für unser ganzes Land", hatte Kapitän Daniel Passarella versprochen. Mehr als 500 Millionen Euro hatte die argentinische Regierung für die WM ausgegeben und hoffte auf eine weltweit positive Propaganda. Die der Referees inbegriffen.

Argentinien verliert gegen Italien
Argentinien qualifizierte sich nach dem 0:1 gegen Italien nur als Zweiter für die Zwischenrunde. Die Deutschen rangen den Italienern dort ein 0:0 ab. Gegen die Niederlande kam es zur Neuauflage des Endspiels 1974. Die Tore von Rüdiger Abramzcik (3.) und Dieter Müller (70.) reichten nicht. Rene van de Kerkhof sorgte acht Minuten vor dem Ende für den 2:2-Endstand.

Die Oranjes hatten zuvor Österreich mit 5:1 vom Platz gefegt. Auch die Italiener hatten gegen die Alpenrepublik 1:0 gewonnen. Ein Remis zwischen Holland und den Azzurri und ein Sieg mit fünf Toren über die Österreicher hätte Deutschland zum Finale gereicht. "Klar, die putzen wir weg, 5:0 oder 6:0", tönte Berti Vogts vor der Partie. Karl-Heinz Rummenigge brachte die Nationalelf zwar in Führung.

Die Schmach von Cordoba
Doch mit dem Eigentor von Vogts nahm das Schicksal seinen Lauf. Hans Krankl traf einmal. Beim Stand von 2:2 kam Krankl wieder an den Ball. Und der legendäre österreichische Kommentator Edi Finger schrie: "... da kommt Krankl. Tor, Tor, Tor, Tor, Tor, Tor. I werd narrisch - Krankl schießt ein, 3:2 für Österreich. Meine Damen und Herren wir folln uns um den Hals, da Kollege Riefel, da Diplomingenieur Bosch, wir busseln uns ob. 3:2 für Österreich durch ein großartiges Tor unseres Krankl. Meine Damen und Herren, und wortn's no a bissl, wortn's no a bissl, dann könn' ma uns vielleicht a a... Vierterl genehmigen."

Kurz vor Schluss besaß Abramczik die Riesenchance zum Ausgleich. "Aber daneben", rief Finger. "Abbusseln möcht ich ihn. Den braven Abramczik." Noch wenige Sekunden zu spielen. "Nochmal Deutschland am Ball, und Prohaska haut den Ball ins Out, und jetzt ist's aus, Ende, Schluss, vorbei, Aus. Deutschland geschlagen, meine Damen und Herren. Nach 47 Jahren kann Österreich zum ersten Mal wieder Deutschland besiegen." Die Schmach von Cordoba war perfekt und die DFB-Elf draußen.

Schiebung bei Argentinien - Peru?
In der Gruppe B bejubelten Argentinien und Brasilien Auftaktsiege. Das direkte Duell endete torlos. Die letzte Partie der Gruppe musste über den Finalteilnehmer entscheiden. Komischerweise wurde das Spiel der Brasilianer gegen Polen auf den Nachmittag vorverlegt. Die Selecao gewann 3:1. Und die Elf um Cesar Luis Menotti wusste am Abend genau, dass sie für das Finale mit vier Toren Unterschied gegen Peru gewinnen musste.

6:0 hieß es für die Gastgeber am Ende. Später berichteten verschiedene Journalisten aus sicheren Quellen, dass die Partie durch hohe argentinische Politiker auf den Abend verschoben worden wurde, die den Peruanern zudem 35.000 Tonnen Getreide und einen 50 Millionen-Dollar-Kredit versprochen hatten. Drei Peruaner, die mit dem britischen Reporter David Yallop sprachen, erzählten später von "20.000 Dollar zur Sicherung des richtigen Ergebnisses".



Argentinien jubelt! In der Verlangerung erzielt Mario Kempes (l.) das 2:1 im Finale
Tragik für Holland

Wie dem auch sei, am 25. Juni 1978 stand die älteste Fußballnation Südamerikas im Finale gegen Holland. Rund 76.000 Zuschauer verwandelten das Estado River Plate in einem Hexenkessel. Das Idol Mario Kempes brachte Argentinien nach klugem Zuspiel von Osvaldo Ardiles in Führung. Oranje-Coach Ernst Happel feuerte sein Team an. Und Dick Nanninga gelang zehn Minuten vor dem Ende das mehr als verdiente 1:1.

In der allerletzten Sekunde stand Holland vor dem Triumph. Doch Rensenbrinks Schuss landete am Pfosten. Verlängerung. Kempes traf zum 2:1. Bertoni erhöhte auf 3:1. Ende. Argentinien war zum ersten Mal Weltmeister.

Sieg über die Diktatur
Trainer Menotti, genannt "El Flaco", weigerte sich, den Pokal anzunehmen. "Meine talentierten Spieler haben die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt", erklärte Menotti. Der deutsche Journalist Ludger Schulze kommentierte berechtigt, dass Menotti dem argentinischen Volk zwei Dinge gebracht habe, den Glauben an den Fußball und ein Stück ihrer Menschenwürde.

1983 musste die Militärdiktatur in Argentinien abdanken.

Was sonst noch passierte:
Rob Rensenbrink (Niederlande) erzielte gegen Schottland das 1000. Tor der WM-Geschichte.

Der israelische Referee Abraham Klein hatte die Partie Argentinien - Italien (0:1) exzellent geleitet und wurde weltweit für das Finale gefordert ("Ich hoffe der tapfere, kleine Referee bekommt das Finale" "Sunday Times"). Klein sollte das Endspiel auch pfeifen. Doch die Argentinier protestierten, da er angeblich "mit den Niederländern sympathisierte". Klein hatte ein Jahr in Holland gelebt. Die Fifa gab dem Italiener Sergio Gonella das Finale. Klein pfiff das Spiel um den Dritten Platz.

Der Holländer Ernie Brandts ist der einzige Spieler der WM-Geschichte, der in einer Partie einen Treffer und ein Eigentor erzielte. Holland gewann 2:1 gegen Italien.

Die schnellste Auswechslung der WM-Geschichte traf den Italiener Mauro Bellugi. Er musste gegen Argentinien bereits nach sechs Minuten verletzt raus.