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WM 1970 - MEXIKO
 

9. WM in Mexiko 1970 - Weltmeister: Brasilien

Das Spiel der Titanen und einer der Größten nimmt Abschied

Die Entscheidung im dramatischten Spiel aller Zeiten - Italien fuhrt 4:3 gegen Deutschland
Am 17. Juni 1970 sanken nach 120 Minuten alle Akteure entkräftet zu Boden. Im WM-Halbfinale hatte Italien Deutschland mit 4:3 besiegt. Es war eine wahnsinnige, eine spannende, eine verrückte Begegnung - die turbulenteste Partie der WM-Geschichte. Noch heute erinnert im Azteken-Stadion in Mexico-City ein Denkmal an das packendste WM-Spiel aller Zeiten, das als "Jahrhundert-Spiel" in die Geschichte einging.

Vor der Weltmeisterschaft stand das Team um Helmut Schön jedoch erst einmal in der Kritik. Der Bundestrainer hatte Uwe Seeler als Sturmpartner von Gerd Müller gesetzt, ein Schritt, der bei Vielen auf Unverständnis stieß. Aber Schön sollte Recht behalten. Gleich im ersten Gruppenspiel gegen Außenseiter Marokko machte sich das Sturmduo bezahlt. Die Afrikaner führten mit 1:0, doch Seeler und Müller trafen. Die Nationalelf entging nur knapp einer Blamage.

Der Geist von 1966
Uwe Seeler meinte nach der ersten Partie: "Ein Gutes hatte dieses Spiel, ab jetzt kann´s nur noch aufwärts gehen." Und das tat es auch. Seeler fütterte Müller mit Bällen, Overath dirigierte, Beckenbauer konterte und Libuda dribbelte die Gegenspieler schwindelig. Einem 5:2 über Bulgarien, folgte ein klares 3:1 (Hattrick von Gerd Müller) gegen Peru. Deutschland war Gruppenerster.

"Wir denken nicht an 1966", versicherte der Bundestrainer vor dem Viertelfinale. Die Deutschen mussten gegen England ran, und natürlich dachte jeder an 1966. Die Erinnerungen an das ominöse "Wembley-Tor" waren allgegenwärtig. Das Fernsehen hatte die Anstoßzeit 12.00 Uhr diktiert, die Sonne brannte unerbittlich über dem Spielfeld. 50 Grad wurden gemessen!

Die Revanche - Gerd Muller (l.) macht das 3:2 gegen England
Revanche gegen den Weltmeister

Lange Zeit sah es für Deutschland nicht gut aus. Nach mehr als einer Stunde führten die Engländer 2:0 (Mullery, Peters), die Deutschen ohne den Hauch einer Chance. Dann verkürzte Beckenbauer, und Uwe Seeler schaffte mit einem Geniestreich per Hinterkopf den Ausgleich.

In der Verlängerung entschied Gerd Müller das Spiel gegen die mittlerweile kraftlosen Engländer. Die Bild titelte: "Alemania bum, bum, bum", eine mexikanische Zeitung brachte die Bedeutung des 3:2 auf den Punkt: "Die Rechnung ist beglichen!" Doch die Dramatik sollte noch gesteigert werden.

Ausgerechnet Schnellinger
Halbfinale Italien gegen Deutschland. Boninsegna hatte die Italiener früh in Führung gebracht. Die Deutschen liefen dem Rückstand bis zur letzten Sekunde hinterher. Schnellinger grätschte in einen Querpass von Grabowski und drückte den Ball über die Linie (92.).

"Ausgerechnet Schnellinger werden die Italiener jetzt sagen", flüsterte TV-Reporter Ernst Huberty. Der Carlo Schnellinger spielte zu diesem Zeitpunkt für den AC Mailand.

Unmöglich die Turbulenz der Verlängerung wiederzugeben. Beide Teams waren erschöpft, Taktiken wurden über Bord geworfen. Gerd Müller besorgte mit einem "Kullerball" das 2:1, Burgnich glich nach einem Held-Patzer aus.

Deutschland wird Dritter
Danach ging es Schlag auf Schlag: Riva mit dem 3:2, Müller hechtete zwischen Rivera und Keeper Albertosi hindurch in eine Flanke. 3:3. Doch als der Ausnahmefußballer Gianni Rivera völlig ungedeckt das 4:3 markierte, war das unglaubliche Halbfinale entschieden und die mexikanische Presse schrieb: Das war das Duell der Titanen!

Deutschland spielte gegen Uruguay um Platz drei. Overath schoss sein einziges WM-Tor und bescherte der Schön-Truppe den Sieg. Erhobenen Hauptes konnte die Nationalmannschaft die Heimreise antreten.

Ein wurdiger Abgang eines der Größten - Pele nach dem Finalsieg der Brasilianer
Abschied mit WM-Titel

Italien zog ins Finale ein, das deutlich mit 4:1 an Brasilien ging. Pelé brachte die Selecao in Führung. Boninsegna glich zwar noch einmal aus. Doch die grün-gelbe Übermacht war zu groß. Gerson, Jairzinho und Carlos Alberto sorgten für den Endstand.

Brasilien war zum dritten Mal Weltmeister und durfte den Cup Jules Rimet behalten. Mit seinem letzten internationalen Spiel krönte sich Pele als Weltmeister. Ein würdiger Abgang eines der größten Fußballer aller Zeiten.

Was sonst noch passierte:
Erstmals bei einer WM kamen die 16 Teinehmer von fünf Kontinenten. Nur Ozeanien war nicht vertreten.

Ein weiteres Novum in Mexiko: Zum ersten Mal wurde die Rote Karte eingeführt und ein Spieler nicht nur verbal des Feldes verwiesen (es gab aber keinen Platzverweis!). Auch der Auswechselspieler wurde in Mexiko zum ersten Mal eingeführt. Der Mexikaner Juan Basaguren war der erste "Bankdrücker", der ein WM-Tor erzielte (gegen El Salvador).

Die Engländer spielten vor der WM ein Testspiel in Kolumbien. Bobby Charlton und Bobby Moore wurden während eines Ausfluges als Juwelendiebe verhaftet, Moore gar unter Hausarrest gestellt. Nur ein diplomatisches Einschreiten sicherte ihm die WM-Teilnahme. Monate später stellte sich die Anschuldigung als fingiert heraus.

Mit nur einem einzigen Treffer (1:0 gegen Schweden) qualifizierte sich Italien in drei Vorrundenspielen als Gruppenerster für das Viertelfinale.

Die deutsche Elf reiste mit eigenem Proviant an. Doch der mexikanische Zoll beschlagnahmte zwölf Zentner deutsches Fleisch. Auch die Frühstückswürstchen der Engländer wurden dort konfisziert.

Die deutsche Gruppe vier verbuchte mit einem Schnitt von 13.250 Besuchern das geringste Zuschauerinteresse.

Der Brasilianer Jairzinho erzielte in jedem seiner Spiele mindestens einen Treffer. Das ist bis heute unerreicht.

Mit sieben Gegentreffern kassierten die Brasilianer die bisher meisten Gegentreffer aller Weltmeister.

Erstmals wurde eine WM im TV in Farbe übertragen. Über 800 Millionen Zuschauer verfolgten die Begegnungen am Bildschirm, so dass sich der Spielplan zum ersten Mal auch an den Wünschen der europäischen Sender orientierte.