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BEI JEDEM SPIEL DABEI (20.06.2006)
 

Die Stiftland Adler sind der erste offizielle Fanclub der deutschen Nationalelf – für die WM haben sie große Pläne.
Von Jürgen Schmieder (erschienen in der SZ)

Beim Eröffnungsspiel und gegen Polen waren sie natürlich im Stadion. Auch heute ab 16 Uhr gegen Ecuador werden sie schreien, tanzen, feiern. Am Körper das Trikot, um die Hüfte eine Deutschland-Fahne – so stehen die „Stiftland Adler“ hinterm Tor und sorgen mit Millionen anderen dafür, dass Klinsmann Sätze wie diesen sagt: „Wenn wir so erfolgreich sind wie die Fans, können wir Weltmeister werden.“ Ganz klar: Dieses Turnier gehört den Menschen.

Eine Weltmeisterschaft im eigenen Land ist praktisch, die Spiele finden vor der Haustür statt. Das bedeutet: keine stressigen Reisen, keine überteuerten Hotels. Für Hardcore-Fans jedoch gelten andere Regeln. Sie legen während der WM je nach Abschneiden der deutschen Elf bis zu 9000 Kilometer zurück. Beckenbauersche Verhältnisse, nur dass ihnen kein Helikopter zur Verfügung steht.

André Heindl ist einer dieser Gefolgsleute. Acht WM-Städte hat er seit dem 9. Juni bereits besucht, die anderen vier wird er in den kommenden fünf Tagen ansteuern – und so viele Spiele wie möglich ansehen. „Ich kann gar nicht beschreiben, was zur Zeit in Deutschland los ist“, sagt er. „Das ist Party pur.“

Am Sonntag hat er in Nürnberg das Spiel Kroatien gegen Japan gesehen. „Die japanischen Fans haben mich neben den Mexikanern besonders beeindruckt“, sagt Heindl nach der ersten WM-Woche. Am Montag dann die Reise nach Berlin zum Deutschland-Spiel. Und die erste Party mit ecuadorianischen Fans.

Erst 1996 gegründet
Heindl ist Präsident der „Stiftland Adler“, dem ersten Fanclub der deutschen Nationalmannschaft, benannt nach dem Wappen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und einer Region in Nordbayern.

Kaum zu glauben: Erst 1996 wurde er gegründet. Ja, richtig: Deutschland wurde drei Mal Weltmeister, ohne einen offiziellen Fanclub zu haben. Natürlich hat Klinsmanns Elf genügend Anhänger. Natürlich fordert ein Sponsor pünktlich zur WM: „Werden Sie Teil der größten Nationalmannschaft aller Zeiten.“ Eine nette Aktion, aber nicht mehr.

„Wir waren ein wenig überrascht, als wir erfahren haben, dass wir der erste Fanclub oder die erste Institution dieser Art sind“, sagt Heindl. Die deutsche Fankultur ist sehr an Vereine gebunden, Heindl selbst ist Anhänger von Borussia Mönchengladbach.

Bei Länderspielen kommen sie alle zusammen, tragen Deutschland-Trikots, schwenken Fahnen, peitschen die Mannschaft nach vorne. Organisiert war das bis 1996 nicht. Vielleicht gibt es deshalb keinen Spitznamen für die deutsche Elf, vielleicht gilt deshalb „Deutschland vor“ nach wie vor als kreativer Anfeuerungsruf.

„Was auf die Beine stellen“
Das wollten die Stiftland Adler ändern. Ein Spitznamefür die deutsche Nationalelf sei zwar nicht nötig, ein wenig Koordination unter den Fans aber schon. Also haben sie nach dem legendären EM-Halbfinale gegen England am 26. Juni 1996 beschlossen, einen Fanclub zu gründen. „Wir wollten selbst was auf die Beine stellen, um die deutsche Elf zu unterstützen“, sagt Heindl.

Aus einer losen Gründung wurde 2002 dann ein eingetragener Verein. 15 Vorstandsmitglieder versuchen seitdem, jedes Spiel der Nationalmannschaft zu sehen. Dazu kommen mehrere hundert Fans aus dem Stiftland, die vereinzelt zu den Spielen fahren.

Beim DFB stießen sie bei ihrer Gründung auf offene Ohren. Die Verantwortlichen möchten seither Vorschläge zur Verbesserung der Fankultur hören und helfen den Adlern normalerweise gern bei der Beschaffung von Eintrittskarten.Bei der Ticketvergabe zur WM war jedoch selbst der DFB machtlos und konnte seinen offziellen Fans keine Karten zur Verfügung stellen.

Also mussten die Stiftland Adler, wie alle anderen Fans auch, auf Losglück hoffen. „Jedes Mitglied hat Karten im Wert von bis zu 40.000 Euro bestellt“, sagt Heindl. Es hat sich gelohnt: Knapp 100 Tickets haben die Vorstandsmitglieder beisammen – und eine Deutschlandreise seit neun Monaten geplant.

Mit Wohnmobil und Bus sind Heindl und seine Freunde in den ersten beiden WM-Wochen unterwegs, um alle 12 Stadien zu erleben. „Die weitere Reiseroute ergibt sich aus dem Turnierverlauf.“ Sollten die Deutschen erfolgreich bleiben, wollen die Adler bis zum Finale dabei sein. Und natürlich vier Wochen Urlaub opfern. „Das Privatleben leidet stark darunter“, gibt Heindl zu.

Aber die Mühe lohnt sich, die Erlebnisse der sind unbezahlbar. Die Europameisterschaft in Portugal vor zwei Jahren etwa. Und natürlich diese WM in Deutschland. „Das sind grandiose Momente, wenn man mit Menschen aus allen Ländern zusammen feiern darf“, sagt Heindl. Natürlich gibt es auch Tage, an denen einfach alles schief geht. Das 1:5 gegen England am 1. September 2001 war so einer.

Die gegnerischen Fans hätten sich vor dem Spiel daneben benommen, dann folgte der peinliche Auftritt der deutschen Elf und hinterher hagelte es Beleidigungen der britischen Anhänger. Aber auch für diese Tage hat André Heindl eine Lösung: „Fair bleiben und lauter anfeuern als die Pöbler.“


Das Interesse ist groß
Das Interesse am ersten Fanclub der Nationalmannschaft ist groß: Sie unterstützen andere Fans bei organisatorischen Fragen und planen Treffen mit Anhängern anderer Nationen. Das Wichtigste darf jedoch niemals zu kurz kommen: das Anfeuern der deutschen Mannschaft.

Deshalb wird auch mal ein Angebot ausgeschlagen. Ein Sender wollte die Stiftland Adler während der WM eine Woche lang begleiten und eine Dokumentation drehen. „Wir haben abgelehnt, weil wir uns vielleicht anders verhalten hätten und der Spaß zu kurz gekommen wäre“, sagt Heindl.In den kommenden Wochen wird alles dem großen Ziel untergeordnet: die Jungs von Jürgen Klinsmann zum WM-Sieg zu brüllen.

Der Präsident der Stiftland-Adler ist davon überzeugt, dass der Titel machbar ist: „England im Elfmeterschießen raus, dann Holland an die Wand spielen. Das Halbfinale wird so zum Selbstläufer und im Finale gibt’s ein 2:1 gegen Brasilien.“ Mit diesem Verlauf wären wohl nicht nur die Mitglieder der Stiftland Adler zufrieden.

(SZ vom 20.6.2006)